Die Frauenstatuette von Wehlitz
Ein vermeintlich unscheinbar erscheinendes Tonobjekt, etwas kleiner als ein Smartphone, nimmt uns mit auf eine lange Reise in die Vergangenheit zu den ersten Bauern Nordwestsachsens vor über 7.000 Jahren. Das Tonobjekt ist der Überrest einer weiblichen Statuette. Es zeigt den Oberkörper einer weiblichen Figur, bei der die Arme auf den Bauch gelegt sind. Die Rückseite ist mit winkligen Linienbändern und Doppelstichen verziert – ein Muster, das sich auch auf zeitgleichen Tongefäßen findet.
Sie entstammt der Zeit um 5.500 vor Christus, als sich tiefgreifende Änderungen vollziehen. Es ist der Übergang von der Sammel- und Jagdwirtschaft zu Ackerbau und Viehzucht. Erstmals bauen sich die Menschen Häuser und werden sesshaft – es sind die ersten Bauern. Diese neue Wirtschaftsweise breitet sich vom Nahen Osten über Kleinasien bis zu uns nach Mitteldeutschland aus. In ihrem Gepäck haben sie auch alle Vorläufer der noch heute gebräuchlichen Getreidearten. Sie stammen von Wildgräsern des Nahen Ostens.
Die neuen Siedler bauen bis zu 50 Meter lange Häuser, sogenannte Langhäuser. Sie stellen auch erstmals Gefäße aus Ton her und verzieren sie mit den für diese Zeit so typischen Linienbändern. Diese gaben den Bauern der Epoche den Namen Linienbandkeramische Kultur.
Bei der figürlichen Kunst handelt es sich hauptsächlich um Frauendarstellungen. Meist sind die Statuetten nur noch unvollständig überliefert, wie der weibliche Oberkörper aus Wehlitz. Vergleichbare Stücke fand man in einem großen Gebiet von Vorderasien bis ins Pariser Becken. Wir wissen nicht genau, ob die Statuetten beispielsweise bei kultischen Handlungen zerstört wurden oder ob sie Abbilder von Göttern sind. Sie gewähren uns aber einen seltenen und kostbaren Einblick in die Vorstellungswelt der damaligen Menschen.